Der Liederzyklus
Saskia Klumpp - Alt / Mezzosopran
Die
Wesendonck-Lieder nehmen eine auffällige Sonderstellung in Richard
Wagners Werk ein. Diese liegt zunächst begründet
in der Gattung an sich, denn Wagner
war kein "Liedkomponist": Er komponierte die vergleichsweise
geringe Anzahl von 25 Liedern und liedhaften Kompositionen, bei denen
es sich auch nach Wagners
eigener Einschätzung größtenteils um periphere Gelegenheits-kompositionen
handelt. Von diesen heben sich jedoch deutlich die fünf Lieder
auf Gedichte von Mathilde Wesendonck (1828-1902) ab, die als einzige
einen großen Bekanntheitsgrad erreicht haben und über die
Wagner
selbst urteilte: "Besseres als diese Lieder, habe ich nie gemacht,
und nur sehr weniges von meinen Werken wird ihnen zur Seite gestellt
werden können." (Wagner
an Mathilde Wesendonck am 09. Oktober 1858.)
Über
die Textvorlagen läßt sich Ähnliches kaum sagen: Die
Gedichte Mathilde Wesendoncks, mit der Wagner
zwischen 1852 - 58 jene legendäre Liebesbeziehung pflegte, sind
von eher bescheidener poetischer Qualität. Ursprünglich wollte
Wagner
die Lieder "Fünf Dilettanten-Gedichte" für eine
Frauenstimme mit Pianoforte-Begleitung nennen, was sein Verleger wohl
vereitelte. Er vertonte die Texte in den Jahren 1857/58, auf dem Höhepunkt
der Liebesbeziehung zu Mathilde Wesendonck und kurz vor ihrem durch
die immer größer werdenden Spannungen zwischen den Ehepaaren
Wagner und Wesendonck herbeigeführten Ende. Und er vertonte sie
parallel zur Arbeit an "Tristan und Isolde" und eng mit dieser
verknüpft: Mehr als nur Anklänge an das Lied "Im Treibhaus"
finden sich im Vorspiel zum dritten Akt des "Tristan", in
enger Beziehung mit der Duettszene im zweiten Akt steht das Lied "Träume".
Wagner
schrieb darüber am 28.09.1861 wiederum an Mathilde: "Auch
das Bleistiftblatt des Liedes fand ich, aus dem die Nachtszene entstanden.
Weiss Gott! Mir gefiel das Lied besser als die stolze Szene! Himmel,
das ist schöner als Alles, was ich gemacht!"
Man
kennt die Wesendonck-Lieder vor allem als Orchesterlieder, wobei die
originale Version tatsächlich die Klavierfassung ist. Wagner
selbst stellte lediglich noch eine Fassung der "Träume"
für kleines Orchester und Sologeige her, die er Mathilde am 23.
Dezember 1857, während ihr Mann auf Geschäftsreisen war, als
Geburtstagsständchen darbringen ließ und so den Eklat auslöste,
der in der Trennung sowohl von Mathilde als auch von seiner Frau Minna gipfelte. Später schrieb er noch
eine intime Instrumentalfassung des gesamten Zyklus für eine kleine,
fast solistische Streicherbesetzung. Die bekannte Version für großes
Orchester entstand erst nach Wagners
Tod um 1893/94 durch den Dirigenten Felix
Mottl.
Mit freundlicher Genehmigung der Autorin.
(Quelle: Auszug aus: Saskia
Klumpp: In Berliner Bach Gesellschaft e. V. Programmhefttexte:
Die
Liedzyklen: Richard
Wagners Wesendonck-Lieder und Edward
Elgars Sea Pictures. Liederabend vom 03.03.2001.)
Saskia Klumpp - Alt / Mezzosopran
Jean-Marc Onkelinx - Musikwissenschaftler
Blog von Jean-Marc
Onkelinx:
Kalender meiner Vorträge und Kommentare zu verschiedenen klassischen
Musikstücken
Die fünf Wesendonck-Lieder sind das Ergebnis eines
einzigartigen Zeitpunktes. Der Komponist Wagner
wohnte mit seiner Frau Minna in einem Park-Pavillon nahe der berühmten
Villa des reichen Kaufmanns Otto Wesendonck.
Wenn Mathildes Gedichte ohne ersichtliche Logik erscheinen, Wagner inspirierte
sie und komponierte die Musik zu einem Zyklus, er brachte sie in eine
logische Reihenfolge, so wie wir sie heute kennen.
Diese fünf Melodien entstanden zu einem Großteil aus der
Spiritualität von Richard
Wagner. Es geht um Zeit, Leben, Tod,
Verzicht und Liebe.
Dieser Zyklus ist eine wunderbare Art, die Kunst und das komplexe Denken
des Meisters von Bayreuth zu erleben.
Nach: Jean-Marc Onkelinx
Jean-Marc Onkelinx erklärt in seinem Blog (fr) die musikalische Struktur der Wesendonck-Lieder. Er vergleicht musikalische Passagen mit denen anderer Werke Wagners. Das Gesamtarrangement des Zyklus erklärt er hier sehr anschaulich.
Jean-Marc Onkelinx - Musikwissenschaftler, Prof. für Musikgeschichte
Zu den Wesendonck-Liedern